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Vom Tabu zum Lifestyle-Produkt

In den letzten Jahren hat sich die Einstellung der Gesellschaft zu Sexspielzeug deutlich gewandelt

Was einst als Tabu-Thema angesehen wurde, ist mittlerweile zu einem Lifestyle-Produkt geworden. Es gibt mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber sexuellen Bedürfnissen und Fantasien, was zu einem breiteren Angebot an hochwertigen Sexspielzeugen geführt hat. Dabei ist es noch gar nicht allzu lange her, als der Kauf von Sextoys in etwa folgendermaßen aussah:

Man huschte mit hochgeschlagenem Mantelkragen in einen schummrigen Laden hinter dem Bahnhof, griff möglichst schnell nach irgendeinem Toy, zahlte und ging dann möglichst rasch wieder seiner Wege. Und man wusste es zu vermeiden, von Menschen aus der Familie oder dem Freundeskreis mit der obligatorischen braunen Plastiktüte gesehen zu werden …

Die Rahmenbedingungen haben sich deutlich geändert

Ein entscheidender Faktor für diese Veränderung war die fortschreitende sexuelle Befreiung und die Feminismusbewegung, die dazu beigetragen hat, dass sexuelle Lust und Befriedigung als normale und gesunde Bestandteile des menschlichen Lebens betrachtet werden. Sexspielzeug wird nun nicht mehr ausschließlich als Mittel zur Masturbation angesehen, sondern als Werkzeug, das die sexuelle Erfahrung sowohl alleine als auch mit einer Partnerin oder einem Partner bereichern kann.

Die Entwicklung des Internets hat auch eine große Rolle gespielt, indem es den Zugang zu Informationen, Produkten und Communitys erleichtert hat. Menschen können nun diskret online nach Sexspielzeug suchen, Rezensionen lesen und sich über verschiedene Produkte informieren. Dies hat dazu beigetragen, dass der Erwerb von Womanizer niemandem mehr die Schamesröte ins Gesicht treiben muss:

Man hat nun alle Zeit der Welt, sich umfassend über Sexspielzeug zu informieren, vollkommen unabhängig von den Öffnungszeiten eines Geschäftes. Und niemand bekommt etwas davon mit: Da die meisten Erotik-Händler ihre Produkte in einer diskreten Verpackung mit neutralem Absender verschicken, ahnt nicht einmal der Paketbote etwas vom Inhalt des Kartons.

Bessere Produkte zu faireren Preisen für mehr Spaß an der Erotik

Die Industrie hat auf diese steigende Nachfrage reagiert und hochwertige, ästhetisch ansprechende und vielfältige Sexspielzeuge entwickelt. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an Vibratoren, Dildos, BDSM-Produkten, Analplugs und vielem mehr, die für verschiedene Geschlechter, Vorlieben und Bedürfnisse geeignet sind. Eine Sache ist dabei besonders auffällig: Solange Menschen schambehaftet durch den schummrigen Sexshop eilten, konnten dessen Betreiber für die angebotenen Produkte eine satte „Schmutzzulage“ verlangen.

An der Kasse zahlte man also oftmals deutlich mehr, als ein Produkt objektiv wert gewesen wäre. Heute gibt es eine zuvor nicht gekannte Angebotsvielfalt und einen starken Wettbewerb, online wie offline. Der führte längst zu einer Konsolidierung der Preise. Vorsicht ist trotzdem geboten, denn neben den etablierten europäischen Anbietern tummeln sich gerade auf Shoppingplattformen wie Amazon oder Ebay auch unbekannte Händler aus fernen Ländern. Dort werden einige Produkte konkurrenzlos billig veräußert – man bekommt allerdings keinen Einblick in die Herstellungsbedingungen oder die Materialzusammensetzung.

Erotik wird zum Lifestyle

Neben der steigenden Popularität von Sextoys hat sich auch die Art und Weise, wie darüber gesprochen wird, geändert. Sexuelle Gesundheit und Wohlbefinden werden zunehmend als wichtige Themen betrachtet, über die offen und ohne Scham diskutiert werden kann. Infolgedessen gibt es mehr Aufklärungskampagnen, Workshops und Veranstaltungen, die das Wissen über sexuelle Lust und den sicheren Gebrauch von Sexspielzeugen fördern.

Allerdings gibt es immer noch kulturelle, religiöse und persönliche Überzeugungen, aufgrund derer Sexspielzeug weiterhin den Status eines Tabuthemas behält. Nicht alle Menschen fühlen sich wohl dabei, über ihre sexuellen Vorlieben und den Gebrauch von Sextoys zu sprechen oder sie zu nutzen. Dennoch ist die allgemeine Entwicklung hin zu einer offeneren Haltung und Akzeptanz in Bezug auf Sexspielzeug nicht zu übersehen.

Insgesamt hat sich Sexspielzeug von einem Tabu-Produkt zu einem Lifestyle-Produkt entwickelt. Es ist mittlerweile normal geworden, über Sexspielzeug zu sprechen, es zu nutzen und sich damit zu befassen. Die steigende Akzeptanz, das breitere Angebot und die bessere Zugänglichkeit haben dazu beigetragen, dass Sexspielzeug ein integraler Bestandteil des modernen Sexuallebens geworden ist.

Droht eine Sexualisierung der Gesellschaft?

Diese Frage wurde bereits in den bunten 1970er-Jahren aufgeworfen und wird seither immer mal wieder gestellt. Womöglich ist aber das komplette Gegenteil der Fall: Gerade durch den offeneren Umgang mit der Sexualität (von der auch LGBTQ+ – Menschen deutlich profitieren) wird diese immer weiter aus der Schmuddelecke geholt. Und immer öfter gilt dann ganz einfach: Erlaubt ist, was gefällt, auch beim Sexspielzeug.

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